Bildhaftes Schreiben regt zum Lesen an

Bildhaftes Schreiben regt zum Lesen an Wecken Sie mit Sprachbildern und präzisen Wörtern Emotionen

Unsere Sprache ist reich an Bildern. Wer diesen Schatz zu nutzen vermag und Inhalte anschaulich und lebendig präsentiert, wird das Interesse der Leserinnen und Leser wecken und die Botschaft vermitteln. Denn bildhafte Formulierungen sprechen beide Gehirnhälften an, wodurch Emotionen entstehen und Informationen schneller verarbeitet werden.

Frau sitzt vor Wand mit aufgemalten Möbel
Ist Ihr Thema komplex und sachlich? Bildhaftes Schreiben und die Verwendung treffender Worte steigern die Leselust Ihrer Leserinnen und Leser.

Aufgrund eigener Erfahrungen, des Vorstellungsvermögens und des sozialen Umfelds löst jedes Wort bei jedem Menschen andere Assoziationen und damit unterschiedliche Stimmungen und Gefühle aus. Wer abstrakt oder unpräzis schreibt, läuft Gefahr, dass der Leser, die Leserin abschweift oder gar abbricht. Wer hingegen bildhaft schreibt, steuert die Bilder im Kopf seiner Leserschaft. So liegen Welten zwischen «Hersteller von Lampen» und «Lichtkünstler, die Wohnatmosphäre schaffen». Bilder haben das Potenzial, bei Leserinnen und Lesern Sehnsüchte zu wecken und Kaufimpulse auszulösen. Und wenn Emotionen im Spiel sind, bleibt die Botschaft im Gedächtnis haften. Bildhaftes Schreiben geschieht über diese Arten von Wörtern:

  • Substantiv: Je präziser Sie Nomen wählen, desto einheitlicher die Bilder, die beim Lesen entstehen und desto überfüssiger werden Adjektive. Vermeiden Sie aber Substantivierungen (auch Nominalisierungen genannt) und achten Sie auf eine genaue Wahl der Wörter: Bleistift statt Schreibzeug, Schneeglöckchen statt Blume.
  • Verben: Verben bringen Bewegung in Ihren Text. Auch hier gilt: Je präziser das Verb, desto klarer das Bild. Das Verb sagt nämlich nicht nur WAS geschieht, sondern verrät auch etwas über das WIE. Ein Beispiel: Der Satz «Kinder gehen durch das Dorf» generiert ein eher unscharfes Bild, im Gegensatz zur Formulierung «Kinder schlendern durch das Dorf».
  • Adjektive: Das Vermitteln des WIEs ist auch Sinn und Zweck von Adjektiven. Sie geben dem Inhalt zusätzlich Farbe und Atmosphäre, sie präzisieren und untermalen, können aber einen Text auch überladen oder eine Aussage abschwächen. Wenn die Kinder durch das «verschneite» Dorf schlendern, wird das Bild präziser. Und wenn der Tragekomfort durch den «atmungsaktiven» und «dehnbaren» Stoff erhöht wird, ist dies eine relevante Information. Wer aber von «unschlagbarem» Komfort schreibt, stellt sein Angebot selbst ins Abseits, denn die Behauptung bleibt (bild-)leer und ist nicht glaubwürdig. Übrigens: Besonders bildstark sind Adjektive, die Metaphern enthalten, wie «federleicht», «bärenstark» oder «steinreich» oder die unsere Sinne direkt ansprechen wie «anschmiegsam», «seidenweich», «honigsüss», «flüsterleise» usw.

 

Beispiel: bildhaft-narrativ versus sachlich-nüchtern

Ein fiktiver Text der Vogelwarte Sempach zeigt die Wirkung von unterschiedlichen Schreibweisen:

Sachlich und nüchtern: Fachleute der Vogelwarte stellten eine Abnahme des Vogelbestandes bei einer Schweizer Brutvogelart fest. Sie nahmen das Thema auf, betrieben Nachforschungen und machten so die aktuellen Entwicklungen im Wallis sichtbar. Danach ergründeten sie die Ursachen und entwickelten geeignete Massnahmen, um den Bestand der Vögel zu sichern.

Bildhaft und narrativ: In jüngster Zeit war der dreisilbige Balzruf des Wiedehopfs im Rhonetal nur noch selten zu hören. Die Ornithologen der Vogelwarte Sempach waren alarmiert und forschten nach. Sie fanden heraus, dass die Bauern in den letzten Jahren viele der uralten Hochstammkirschbäume gefällt hatten und damit auch der Lebensraum der Maulwurfsgrillen verschwunden war – die Hauptnahrung der Brutvögel.

 

Dinge personifizieren

Bilder entstehen auch durch das Personifizieren von Dingen, also das Zuweisen von Attributen, die eigentlich nur für Menschen gelten. Dies kann Dingen mehr Leben einhauchen, wie das untenstehende Beispiel zeigt:

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Bildhaft: Der kleine und geräuscharme Nimmersatt vernichtet diskret alle vertraulichen Dokumente, die niemand mehr lesen soll. Zu seinen Lieblingsspeisen zählen Papier, CDs/DVDs, Heft- und Büroklammern und Kreditkarten. Bei Berührungen des Einzugs stellt er sich augenblicklich tot. Gut zu wissen: Die Anti-Papierstau-Technologie garantiert jederzeit gute Tischmanieren, auch wenn Powershred 99Ci mit bis zu 18 Blatt manchmal etwas viel auf einmal schluckt. Mit Rollen und ausziehbarem 34-Liter-Auffangbehälter. Sicherheitsstufe P-4.

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Sprachbilder

Sprachbilder sind Wendungen, die aus einem anderen Themengebiet stammen und komplexe Sachverhalte schnell und bildhaft beschreiben. So weckt der Aufruf «Folge deinem inneren Kompass» Assoziationen zu Abenteuer und Freiheit. Ist dies das Lebensgefühl, das ein Produkt vermitteln soll, wird mit diesem Sprachbild der Bezug zwischen Produkt und Zielgruppe sofort hergestellt. Doch Vorsicht: abgedroschene Bilder und unglückliche Wortspielereien bewirken bei den Leserinnen und Lesern das Gegenteil. Hier gilt der Grundsatz: Besser treffend als originell schreiben. Ernst Alexander Rauter, Autor des Buches «Die neue Schule des Schreibens» rät vom Einsatz von Sprachbildern sogar ganz ab: «Sprachbilder treffen die Sache, von der die Rede sein sollte, nicht. Sie bilden lediglich eine Wolke von Abstraktion um die Sache.» Anderer Meinung sind Chip und Dan Heat. Sie schreiben in «Was bleibt – Wie die richtige Story Ihre Werbung unwiderstehlich macht»: «Analogien und Vergleiche bieten eine gute Möglichkeit, nutzlose Genauigkeit zu vermeiden und den Fluch des Wissens zu umgehen.»

 

Die Metapher (Sinnbild)

Eine Metapher ist ein sprachlicher Ausdruck, bei dem ein Wort oder eine Wortgruppe in übertragenen Sinn gebraucht wird, ohne dass ein direkter Vergleich die Beziehung zwischen den beiden Bedeutungen verdeutlicht: der Hafen der Ehe, der Fuss des Berges, der Lebensabend. Eine Metapher ist also ein bildlicher Ausdruck, der nicht wörtlich genommen werden kann.

Die Analogie

Die Analogie ist ein Gleichnis, bei dem ähnliche Strukturen oder Sachverhalte aus einem anderen Bereich verwendet werden, um eine Aussage zu verdeutlichen. Beispiel: «Viele Köche verderben den Brei» als Argument gegen zu viel Mitbestimmung. Oder: «Es ist der kollektive Selbstbetrug einer Gesellschaft, die auf der Titanic tanzt», die also dem Untergang geweiht ist. Für die Leserinnen und Leser ist die Analogie eine Brücke, die Informationen leicht zu lesen und zu verstehen macht.

4 Regeln für den Einsatz von Sprachbildern

Regel Nr. 1: Bilder müssen stimmig sein

Hüten Sie sich vor Bildfehlern im Kopfkino der Leserinnen und Leser. So sollte der Kapitän, der sein Schiff sicher durchs Riff führt, den Dingen besser nicht auf den Grund gehen. Und wenn eine Hautcrème ausschlaggebend ist für eine reine, schöne Haut, ist die Botschaft garantiert kontraproduktiv. Wenn der Wachhund aber den richtigen Riecher für Gefahren und ungebetene Besucher hat, ist das Bild stimmig.

Regel Nr. 2: Bleiben Sie in einer Welt

Eine eiserne Regel: Mischen Sie nicht. Zu viele Sprachbilder im Text richten ein heilloses Durcheinander im Kopf der Leserinnen und Leser an. Ganz besonders gilt dies, wenn unterschiedliche Welten in einem Satz auftauchen. So können Sie nicht «mit Vollgas in den sicheren Hafen der Ehe steuern» – die Sprachbilder Seefahrt und Motorsport passen nicht zusammen.

Regel Nr. 3: Halten Sie Bilder nicht zu lange

Wer den Einstieg in eine Sprachwelt gefunden hat, stösst schnell auf viele Wortspiele und gewitzte Formulierungen. Das Schreiben macht Spass – es verleitet aber auch zu allzu verspielten Texten, bei denen die eigentliche Aussage schnell in den Hintergrund gerät. Sprachbilder eignen sich, um Produkte gekonnt in Szene zu setzen und Inhalte sofort begreiflich zu machen. Gehen Sie aber sparsam damit um.

Regel Nr. 4: Konstruieren Sie nicht mit Gewalt

Manchmal scheint ein Sprachbild beim Schreiben zum Greifen nahe – aber wir erreichen es nicht. Versuchen Sie nicht zwanghaft zu konstruieren. Eine lesefreundliche und präzise Sprache ist die Voraussetzung für verständliche Texte. Kommen starke Sprachbilder hinzu: ausgezeichnet.

Zum Schluss noch zwei Hacks: Visualisieren Sie nie das Sprachbild, sondern immer das eigentliche Thema. Und: Unser bildhaftes Denken kann Negativformulierungen nicht entschlüsseln. Schreiben Sie also besser: «Ergattern Sie jetzt eines der letzten Tickets ...» statt «Zögern Sie nicht ...».