Warum eine kommunikative Leitidee so wichtig ist

Warum eine kommunikative Leitidee so wichtig ist Sicht- und spürbar mehr Erfolg

Die kommunikative Leitidee ist wie ein Trailer eines Kinofilms: Sie erzählt eine Geschichte, irritiert, überrascht oder polarisiert. Sie entführt ihr Publikum für Sekundenbruchteile in eine andere Welt, weckt Aufmerksamkeit und Neugierde – und damit Interesse für den eigentlichen Content: das Produkt, die Leistung, den Event, die Marke. Doch: Wie entsteht eine gute Leitidee?

Eine Glühbirne symbolisiert die Leitidee

Wenn wir uns plötzlich dabei ertappen, wie wir einem Werbeplakat nachsinnen. Wenn wir fasziniert ein Video anschauen, obwohl wir eigentlich etwas anderes tun wollten. Wenn ein Produkt oder eine Dienstleistung plötzlich Begehrlichkeiten in uns wecken, obwohl wir zuvor keinen Bedarf hatten. Oder wenn uns eine Werbekampagne plötzlich überall ins Auge springt. Dann ist vermutlich eine kommunikative Leitidee im Spiel.

Wenn deine Werbung nicht eine grosse Idee hat, wird sie vorüberziehen wie ein Schiff in der Nacht

David Ogilvy, britischer Werbetexter, 1911–1999

Wie Werbung wirkt

Wir alle begegnen täglich Tausenden von Werbebotschaften. Nur einen Bruchteil davon nehmen wir bewusst wahr. «Der Bezug zu den meist impliziten Kundenzielen ist das alles Entscheidende», erklärt Dr. Christian Scheier, Neuropsychologe und Mitinhaber der decode Marketingberatung GmbH. Diese Ziele könnten sowohl funktional, als auch psychologisch sein – also die eigentliche Produktleistung betreffen oder die emotionale Leistung in der Vorstellung des Kunden – beispielsweise Anerkennung kriegen, stolz sein usw. «Verspricht die Werbung dem Rezipienten, ihn seinen Zielen näherzubringen, ist sie relevant. Darüber hinaus muss sie auch glaubwürdig und differenzierend sein.» Eine Leitidee kann dabei unterschiedlich wirken. Immer aber muss sie einfach sein und zeigen, dass das Angebot des Unternehmens für die Zielperson relevant und glaubwürdig ist.

So entstehen Aufmerksamkeit und Kaufintension:

Idee: Die Idee bringt die Botschaft – meist den Produktnutzen – spielerisch und auffallend, vielleicht irritierend oder polarisierend, manchmal auch humorvoll auf den Punkt. Sie sorgt dafür, dass die Botschaft in der Informationsflut sichtbar wird. Doch Sichtbarkeit alleine genügt nicht.

Sinne: Alle Informationen gelangen über die fünf Sinne in unsere Wahrnehmung. Je mehr Sinne die Werbung anspricht, desto stärker ist ihr Impact beim Publikum. Laut Scheier wirken mehrere Sinne zusammen nicht additiv, sondern multiplikativ.

Ziel: Der erste grosse Test für die Idee ist das Emotionssystem – vereinfacht gesagt das Unterbewusstsein – des Adressaten. Dieses prüft die Information auf Relevanz und gleicht sie dazu mit den persönlichen Zielen ab. Ist das Resultat positiv, entkeimen Emotionen.

Aufmerksamkeit: Erst jetzt entsteht Aufmerksamkeit, denn die Idee verspricht, die Person ihren persönlichen Zielen ein Stück näherzubringen. Diese nimmt die Werbung nun bewusst wahr.

Wirkung: Der Rezipient verarbeitet die Botschaft erst emotional, danach bei genügender Aufmerksamkeit auch rational. Die Werbung wirkt auf der Wissens-, Einstellungs- und/oder der Verhaltensebene.

Wiedererkennung: Begegnet die Person dem Erkennungsmerkmal – meist ein visuelles Element – erneut, wird sie es bewusst wahrnehmen, wiedererkennen und im Idealfall auch der richtigen Marke zuordnen. Die Wirkung verstärkt sich.

Emotionen im Spiel

Wenn wir uns irgendwo gut oder schlecht fühlen, werden wir uns an diese Situation erinnern. Dafür sorgt unser Gehirn. Sobald ein Angebot verspricht, ein Ziel respektive eine Belohnung zu erreichen, entstehen Emotionen. «Das implizite System im Gehirn ist sehr schnell darin, universelle Belohnungen wie Stolz, Geborgenheit, Erfolg usw. zu decodieren», erklärt Scheier. «Emotionen, oder eben Belohnungen sind also ein Königsweg.» Dennoch brauche es auch einen Trigger: Stubser wie «verfügbar bis» oder Handlungsaufforderungen, die möglichst ohne nachzudenken verstanden werden.

Wenn die Idee überflüssig ist

Längst nicht jede Kampagne braucht eine Idee. Produktwerbung via Katalog, Abverkauf, Rabattwochen, Neueröffnungen: Es gibt zahlreiche Werbeaktionen, die problemlos ohne kommunikative Leitidee auskommen, ja wo eine Idee gar störend wirkt. Nämlich immer dann, wenn der Nutzen eher rational und sofort sichtbar wird. Folglich ist eine Leitidee dann wichtig, wenn der Nutzen nicht sofort erkennbar, das Angebot erklärungsbedürftig ist und wenn eine hohe Aufmerksamkeit angestrebt wird – beispielsweise bei einem Produktlaunch.

Ein Plakat zum Staunen

Dass sich ein rationaler Nutzen wie ein Preisvorteil dennoch emotional kommunizieren lässt, zeigt zum Beispiel die Kampagne von ex libris (Agentur: Ruf Lanz, Zürich). Die Visuals zeigen auffällig erweiterte Buchtitel. Die Botschaft: Mehr Buch fürs Geld. Die Leitidee dramatisiert somit nicht den Nutzen «weniger bezahlen», sondern dessen Folge, nämlich «mehr erhalten».

Mehrwert einer Kampagnenidee

Die Idee dramatisiert bei Produktwerbung den Nutzen, bei Imagewerbung die Markenwerte. Das erklärte Ziel: ein Stück der umkämpften Aufmerksamkeit der Zielpersonen erobern, sich in deren Gedächtnis einprägen und wiedererkannt werden. Dadurch erhöht sich schliesslich der Erfolg einer Kampagne. Die Leitidee vermittelt jedoch nicht nur die Botschaft, sondern auch die Markenwelt: Haltung, Stimmung, Werte, vielleicht auch die Positionierung und den Spirit der Marke. Wenn Galaxus negative Kundenmeinungen auf Plakate druckt, zeigt das nicht nur, dass die Kundschaft den Bewertungen im Shop trauen kann, sondern es vermittelt auch Mut, Authentizität und Humor. Und wenn Nike im YouTube-Spot den gefallenen Football-Star Colin Kaepernick portraitiert, zeigt die Marke Profil und eine klare Haltung gegen Rassismus. Durch die Idee lassen sich also Emotionen wecken, Verbundenheit erzeugen und die Sympathie für eine Marke verstärken – insbesondere, wenn das Publikum diese Markenwerte teilt.

Ein Mailing für die Sinne

Schulen erhielten von der Fullservice-Werbeagentur Maxomedia eine Miniwandtafel, auf der eine Schulwebsite mit Kreide skizziert war. Diese Idee widerspiegelt die Individualität und Kreativität der Agentur. Die Glaubwürdigkeit des Angebots verstärkt sich zudem über die Haptik durch die hochwertigen Materialien.

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Leitplanken weisen die Richtung

Um eine kommunikative Leitidee für eine Kampagne entwickeln zu können, müssen die Rahmenbedingungen bekannt sein: Wie ist die Positionierung? Welche Werte verkörpert die Marke? Welches Budget steht zur Verfügung? Gibt es CI/CD-Vorgaben? Wer ist die Zielgruppe? Soll ein bestimmter Kanal, ein bestimmtes Medium bespielt werden? Oder soll sich die Idee auf mehrere Werbemedien adaptieren lassen? Erst, wenn diese Daten bekannt und im Kommunikationskonzept festgehalten sind, kann der kreative Prozess starten.

To do:

  • Rahmenbedingungen klären (Werte, Positionierung, Budget, Metabotschaften).

Botschaft als Ausgangspunkt

«Die Botschaft ist das Fundament für die Idee», erklärt die Werberin und langjährige Managing Director von OgilvyOne Schweiz Barbara Dürst. Der Kern der Botschaft ist der Nutzen aus Kundensicht. Es gilt also, den Hut zu wechseln und sich in die Situation der Zielpersonen zu versetzen: Was interessiert diese wirklich? Warum würden sie das Produkt kaufen? Sind diese Motive emotional oder rational? Und schliesslich: Welche dieser Informationen ist für die Zielgruppe am wichtigsten? Denn die kommunikative Leitidee dramatisiert die Hauptbotschaft. Oft wolle man zu viel hineinpacken, weiss Dürst. Es versteht sich von selbst, dass es vertiefte Insights über die Zielgruppe braucht, um eine relevante Botschaft entwickeln zu können.

To do:

  • Nutzenorientierte Botschaften entwickeln
  • Hauptbotschaft bestimmen

Eine Kampagne zum Nachdenken

Die ungewohnte Kombination zwischen Bleistiftzeichnung von Tieren und fotografierten Lebensmitteln weckt Aufmerksamkeit. Der Slogan «Alles hängt irgendwie zusammen.» ist nicht sofort schlüssig, die Kampagne regt zur Reflexion an und wirkt somit nachhaltig. Realisiert wurde sie von thjnk, Zürich im Auftrag von Bio Suisse.

Stilmittel der Werbung

Eines der beliebtesten Stilmittel in der Werbung ist Humor. Mit humorvollen Kampagnen lassen sich Aufmerksamkeit erzeugen, die Zielgruppe in eine positive Stimmung versetzen und Kreativpreise abräumen. Damit sich das Publikum nicht nur an den Humor, sondern auch an die Marke erinnert, sollte der Humor markenbezogen und nicht zu banal sein. Doch Vorsicht: Humor hat seine Tücken, denn die Wahrnehmung unterscheidet sich stark bezüglich Geschlecht, Alter und Herkunft der Zielpersonen. Und: «Sich über andere lustig machen, ist keine gute Idee», sagt Dürst. «Heute entsteht schnell ein Shitstorm, die Grenzen im Zeitalter der Political Correctness sind eng geworden.» Neben dem Humor gibt es viele weitere Stilmittel wie Irritation, Überraschung, Polarisierung, Provokation oder Schock.

Heute entsteht schnell ein Shitstorm, die Grenzen im Zeitalter der Political Correctness sind eng geworden.

Barbara Dürst, Werberin

Wie gute Ideen entstehen

Damit Ideen gedeihen, muss erst der Boden vorbereitet, sprich die Köpfe gelüftet, der Inhalt (die Botschaft) bereitgestellt und die Rahmenbedingungen geklärt werden. Dann geht’s los mit umkehren, vergleichen, übertreiben, verstärken, verknüpfen, parodieren, persiflieren, gegenüberstellen, drehen und wenden. Besonders gut gelingt dies im Team, wenn alle zeitgleich denselben «Denkhut» aufsetzen und sich von den (verrückten) Ideen der anderen inspirieren lassen, sie weiterdenken, das Unerwartete suchen. Dabei rät der Kreativberater Michael Koch: «Brich die Regeln». Spass ist erlaubt und beflügelt die Ideenfindung. Und wie erkennt man eine grosse Idee? «Sie weckt Aufmerksamkeit, erzeugt Engagement und löst Begehren aus», sagt Dürst. Zudem müsse sie zu Unternehmen und Produkt passen und vielleicht auch unterhalten.

To do:

  • Spielregeln und Kreativmethode festlegen
  • Team-Workshop organisieren und ohne Grenzen und Tabus einfache oder verrückte Ideen entwickeln

Diversität ist gefragt

«Eine Kampagnenidee kann bei unterschiedlichen Medien sehr unterschiedlich umgesetzt werden», erklärt Dürst. Im Gegensatz zu früher zählten die Eigenheiten des Mediums heute viel mehr. Daher sei es auch wichtig, bei der Ideenfindung unterschiedlich tickende Menschen beizuziehen: Kunden, Kreative, Digitalexperten. Dies führt vermutlich zu wilderen Ideen. Da sind Fachleute gefragt, die beurteilen können, welche Ideen tatsächlich Potenzial haben.

To do:

  • Potenzial der Ideenrohlinge prüfen
  • Erfolgversprechendste Ideen weiterverfolgen

Fazit

Eine kommunikative Leitidee verpackt das Angebot und macht Botschaften somit sicht-, hör- und spürbar, vielleicht sogar riech- und «schmeckbar». Eine gute Idee ist einfach und braucht nicht zwingend eine teure Umsetzung. Wie ein Trailer weckt sie Aufmerksamkeit für den Content und bringt die Zielpersonen zum Staunen, Schmunzeln, Nachdenken, Umdenken, Erkennen und – im besten Fall: zum Handeln oder – um beim Bild zu bleiben: zum Kinobesuch. Und sie sorgt gleich mehrfach für positive Emotionen: beim Entwickeln im Team und beim Publikum.

Die Experten

Dr. Christian Scheier ist weltweit einer der wenigen Neuropsychologen, der Forschungs- und Praxiskompetenz in der Marketingberatung kombiniert. Er ist Mitinhaber der decode Marketingberatung GmbH, Bestsellerautor und gefragter Referent im In- und Ausland.


Barbara Dürst ist Managing Director bei der Agentur Wirz Activation. Sie war während über zehn Jahren Managing Director von OgilvyOne Schweiz AG. Während dieser Zeit transformierte sie die vormals klassische Dialogmarketing-Agentur zu einer Digital & Direct Marketing Agentur und integrierte Angebote wie Customer Engagement, Digital Media, Social Media, Content Marketing und Performance Marketing.