Retargeting: User wiederholt ansprechen

Retargeting: User wiederholt ansprechen Wie es am besten gelingt, erklärt Digitalexperte Daniel Hünebeck

Manchmal brauchen User einen Schubs. Wenn sie einen Onlinekauf abbrechen, lassen sie sich mit Retargeting dazu bewegen, ihn doch noch abzuschliessen. Worauf es dabei ankommt, weiss Digitalexperte Daniel Hünebeck. Ein Gespräch über Reichweite, Cookies und Schlafstörungen.

Portrait Daniel Hünebeck
Mit Retargeting, oft auch Remarketing genannt, lässt sich die Zielgruppe erneut ansprechen. Dazu kann das Marketing etwa automatisierte Angebote erstellen.

Wann haben Sie das letzte Mal ein Produkt aufgrund von Retargeting gekauft?

Daniel Hünebeck: Noch nie. Das zeigt: Man sollte nicht von sich auf andere schliessen. Dass derzeit so viele grosse Unternehmen auf Retargeting setzen, beweist seine starke Wirkung.

Wie funktioniert Retargeting – oder Remarketing, wie es oft auch genannt wird?

Mit Retargeting sprechen Unternehmen jene Nutzerinnen und Nutzer erneut an, die ihre Webseite oder ihren Onlineshop besuchten, aber nicht die gewünschte Handlung tätigten. Dazu werden die User samt ihrem Verhalten mithilfe von Cookies getrackt und bei einem nächsten Besuch identifiziert. So kann das Unternehmen ihnen passende Werbung ausspielen.

 

Targeting und Retargeting kurz erklärt

Der Überbegriff «Targeting» steht für eine präzise Zielgruppenansprache. Dabei wird den Empfängerinnen und Empfängern Werbung gemäss ihren Bedürfnissen und Interessen und im besten Fall auch passend zum aktuellen Kontext individuell ausgespielt. Dafür bestehen ganz unterschiedliche Methoden. Sie alle haben zum Ziel, möglichst effizient zu werben, Streuverluste zu reduzieren und mehr Conversions zu erreichen.

Retargeting – oft auch Remarketing genannt – ist eine der Methoden fürs Targeting. Dabei werden Nutzerinnen und Nutzern mit gezielter Werbung an Angebote erinnert, für die sie sich zuvor auf Websites oder in Onlineshops interessierten. Die Erinnerung soll sie auf ihrer Customer Journey schneller voranbringen und zum Kauf führen. Das Retargeting kann auf den bereits besuchten oder auf anderen digitalen oder physischen Kanälen erfolgen. Dazu lassen sich auch automatisierte Angebote erstellen.

 

Wann erzielt Retargeting die stärkste Wirkung?

Es hat meist zum Ziel, dass Nutzerinnen und Nutzer einen abgebrochenen Kauf doch noch abschliessen. Das gelingt am besten, wenn Unternehmen mit ihrer Werbung möglichst nah am relevanten Thema oder am Kaufbedürfnis der User dran sind. Die grossen Buchungsplattformen für Hotels machen vor, wie das geht. In der Regel schlagen sie beim Retargeting automatisch Angebote vor, die genau zur abgebrochenen Suche passen. Dabei steht für die Plattform die Frage im Zentrum: Welche Alternativen müssen wir der Person präsentieren, damit sie doch noch bei uns bucht? Wie komplex diese Frage und die dafür kreierten Algorithmen sind, zeigt sich daran, dass manchmal auch völlig unpassende Angebote ausgespielt werden.

Hören Sie auf, Ihre Zielgruppe mit Retargeting zu nerven

Retargeting bietet Ihnen echte Chancen. Doch wenn Sie es übertreiben, verärgern Sie Ihre Zielgruppe. In unserem Leitfaden finden Sie sechs typische Nervpotenziale – und Lösungen, um sie zu vermeiden.

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Zum Beispiel?

Wenn Sie ein Zimmer in Berlin für 500 Franken pro Nacht suchen, legen Sie offensichtlich Wert auf Komfort. Beim Retargeting wird Ihnen möglicherweise zusätzlich zu einem Fünf-Sterne-Hotel ein Drei-Sterne-Hotel zum Aktionspreis von 100 Franken gezeigt. Sie fragen sich nun vielleicht: «Glauben die wirklich, dass mich diese Absteige interessiert?» Doch wahrscheinlich lautet die Regel des Algorithmus dahinter, immer auch ein Angebot zu einem Aktionspreis zu erstellen, weil viele Kundinnen und Kunden mit ähnlichem Profil darauf ansprechen.

Gibt es Branchen, für die sich Retargeting besonders lohnt?

Prädestiniert sind Branchen mit langen Kaufprozessen und vergleichsweise hohen Ausgaben pro Kauf. Dazu gehört etwa die bereits erwähnte Reisebranche. Denn zwischen der ersten Idee für eine Reise und der Buchung liegt oft ein Monat oder noch längere Zeit. Bis zu einer Entscheidung recherchiert die Zielgruppe meist intensiv. In dieser Zeit ergeben sich für die Anbieter viele Gelegenheiten, der Nutzerin oder dem Nutzer zu sagen: «Wir wissen, was du suchst.» Zudem hat der durchschnittliche Warenkorb in der Reisebranche einen deutlich höheren Wert als etwa im Modebereich.

Welches Vorgehen empfehlen Sie Unternehmen, die mit Remarketing punkten möchten?

Am einfachsten funktioniert der Einstieg über die beiden Platzhirsche Google und Facebook – schlicht wegen ihrer enormen Reichweite. Wer mit Retargeting startet, sollte der Kreation von Anfang an genügend Beachtung schenken. Häufig sieht man automatisch erstellte Banner, bei denen der Text nach einer gewissen Zeichenzahl abgeschnitten wird. Das wirft kein gutes Licht auf die Marke. Hier rate ich zu mehr Sorgfalt. Ein weiterer Tipp an die Unternehmen: Überzeugen Sie Ihre Zielgruppe durch Operational Excellence.

Was verstehen Sie darunter?

Dass die Unternehmen ihre Prozesse hinter dem Retargeting im Griff haben. Zum Beispiel müssen die angezeigten Artikel auch wirklich lieferbar sein – und zwar schnell. Mir wurde nach der Suche nach einem Adapter wochenlang die Werbung eines grossen Schweizer Händlers für genau diesen Adapter ausgespielt. Doch lieferbar war er nie.

Immer mehr Internetbrowser blockieren Cookies und Tracker. Zudem animieren die allgegenwärtigen Cookie-Disclaimer dazu, Cookies abzulehnen. Ist das Retargeting mittels Cookies bereits tot?

Nein. Aber es wird für die Werbetreibenden allmählich weniger interessant, weil die Reichweite sinkt. Heute wählen viele Nutzerinnen und Nutzer bei den Cookie-Disclaimern die Option «Nur die notwendigen Cookies akzeptieren». Da das Retargeting-Cookie nicht zu den notwendigen zählt, können Unternehmen diese Personen nicht mehr mit Retargeting ansprechen. Dass die Akzeptanz fürs Tracking und fürs Targeting abnimmt, ist kein Zufall. Denn etlichen Nutzerinnen und Nutzern geht es ähnlich wie mir vor Kurzem: Ich suchte online nach einer Matratze. Sofort bekam ich im Facebook-Feed nur noch Infos zum Thema Schlafstörungen. Aber nein, ich habe keine Schlafstörungen! Beim Targeting wird heute oft übertrieben. Das führt einerseits dazu, dass die Politik die Möglichkeiten per Gesetz einschränkt. Andererseits erkennen Browserhersteller und Technologiekonzerne: Mit einem Verzicht aufs Tracking punkten sie bei ihren Zielgruppen und gewinnen Marktanteile.

Wie funktioniert Targeting in Zukunft ohne Cookies? Wird das Retargeting durch andere Arten wie Contextual Targeting oder Geotargeting abgelöst?

Contextual Targeting finde ich spannend. In den letzten Jahren hiess es: Wer die Werbung auf das Umfeld abstimmt, ist oldschool. Doch Kontextmarketing hat sich weiterentwickelt. Um beim Beispiel zu bleiben: Wenn ich mich über Matratzen informiere und man mir dabei Bettwaren vorschlägt, kann ich das nachvollziehen und die Werbung stört mich nicht. Bedingung ist allerdings, dass die Ads aufhören, sobald ich die Webseiten zum Thema verlasse. Wird die Werbung auch noch ausgespielt, nachdem ich längst auf eine Sportseite gewechselt habe und mich ganz dem Fussball widme, erwischt sie mich im völlig falschen Kontext – und nervt.

 

Zur Person

Daniel Hünebeck ist seit mehr als 20 Jahren im digitalen Marketing tätig. Er berät Unternehmen zur digitalen Transformation und zum Digital Marketing, unterrichtet als Dozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen und referiert als Speaker an Fach- und Firmenevents.

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