Programmatic Advertising: effizienter werben

Programmatic Advertising: effizienter werben Wie programmatische Werbung funktioniert

Wenn Werbung die falschen Personen erreicht und erst noch unnötig viel kostet, ist das nur eines: schade ums Geld. Hier verspricht programmatische Werbung Abhilfe. Dabei werden Werbeplätze datenbasiert und automatisiert gekauft und bespielt. So gelingt es Werbetreibenden besser, ihre Zielgruppe am richtigen Ort anzusprechen – und erst noch zu einem angemessenen Preis.

Eine Zauberhand zündet mit Streichholz eine Kerze an
Automatisiert, in Echtzeit und äusserst effizient: Bei Programmatic Advertising werden Werbeplätze meist an Auktionen mittels Realtime Bidding (RTB) verkauft.

Das Wichtigste zuerst: Programmatische Werbung ist keine Mediengattung. «Vielmehr handelt es sich um einen automatisierten Prozess, wie freie Werbeplätze in einem digitalen Umfeld gehandelt und nach einem erfolgreichen Kauf sofort mit passender Werbung bespielt werden», sagt Sam Lutz, CEO der Digitalagentur Drop8 und Programmatic-Experte. Meist erfolgt ein solcher Echtzeithandel über eine Auktion: Der Höchstbietende erhält den Zuschlag. Dieser Prozess auf Basis von Nutzerdaten wird von Algorithmen gesteuert.

Zum Beispiel besucht eine Userin das Portal einer grossen Tageszeitung, loggt sich ein und klickt auf den Teaser für einen Artikel. Das eröffnet die Möglichkeit, ihr eine Werbeanzeige auszuspielen. Während die Seite mit dem Artikel geladen wird, sendet die Sell-Side-Plattform (SSP), an die das Medienhaus als Publisher angeschlossen ist, für die mögliche Anzeigenimpression eine Angebotsanfrage an die Demand-Side-Plattformen (DSP) von Nachfragepartnern. Die SSP liefert auch gleich Daten zur Userin in Form anonymisierter Profilinformationen mit.

Innert Millisekunden prüfen die DSPs diese Daten. Erfüllt die Userin die hinterlegten Targeting-Kriterien für zuvor bestimmte Zielgruppen, berechnen die DSPs basierend auf den Nutzerdaten und dem Budget der angeschlossenen Werbetreibenden Gebote für die Echtzeitauktion um die Werbeeinblendung. Die DSPs beurteilen also den Wert der Userin als Zielperson. Werbetreibende reichen über ihre DSPs automatisiert ihre Gebote für die Anzeigenimpression ein. Das Unternehmen mit dem höchsten Gebot gewinnt die Auktion und hat den Werbeplatz in Sekundenbruchteilen ersteigert. Via DSP gelangt die Anzeige des Unternehmens an die SSP des Publishers. Diese leitet die Anzeige an den Browser der Userin weiter: Die Display Ad wird ihr ausgespielt.

So werden User erkannt

Damit sich bestehende Nutzerdaten für die programmatische Werbung verwenden lassen, müssen die User identifiziert werden. «Dies geschieht durch verschiedene Technologien wie Cookies, mobile Werbe-IDs und zunehmend durch sogenannte Unified IDs», erklärt Zbynek Zapletal, Director Programmatic & Tech Development DACH & CZ der Marketingagentur Biggie Switzerland. «Solche einheitlichen IDs sind darauf ausgelegt, User plattformübergreifend zu identifizieren, und ermöglichen ein konsistentes Targeting und Tracking über verschiedene Kanäle hinweg.»

Wichtig dabei: Aufgrund der verschärften Datenschutzgesetze werden heute nur noch Daten von Nutzerinnen und Nutzern verwendet, die dieser Nutzung zugestimmt haben. Aus Datenschutzgründen kommen oft auch anonymisierte Profile zum Einsatz: «Dazu werden persönliche Identifikationsmerkmale entfernt und die Daten zu Segmenten zusammengefasst», so Zbynek Zapletal. «Diese Segmente lassen sich dann zum Targeting verwenden, um relevante Werbung auszuliefern, ohne die Privatsphäre der Nutzerinnen und Nutzer zu verletzen.»

Zu Beginn eine Art Restplatzbörse

Ursprünglich ist Programmatic Advertising entstanden, um nicht gebuchte digitale Werbeflächen kurzfristig zu einem möglichst guten Preis zu verhökern. Gleichzeitig sollte es einen grossen Nachteil ausmerzen, den Onlinewerbung zu Beginn kennzeichnete: Sie ging mit hohem Streuverlust einher. Entsprechend ineffizient setzten Werbetreibende ihr Budget oft ein. Sie buchten bei Publishern oder Vermarktern fixe Werbeplätze und spielten ihre Displaywerbung während einer geplanten Periode aus – selbst wenn sich die Zielgruppe gar nicht auf diesen Websites bewegte. Neuere Formen von Onlinewerbung wie Suchmaschinenwerbung und Social-Media-Werbung erlaubten dann, Anzeigen auf die User, ihre Interessen und ihr Verhalten auszurichten. Mit dem programmatischen Ausspielen gelingt es auch bei Bannerwerbung auf Websites, Anzeigen nur dort zu platzieren, wo sich die Zielgruppe bewegt – und dies nicht nur zur richtigen Zeit, sondern genauso zum richtigen Preis.

Für klassische Onlinewerbung hat sich Programmatic Advertising längst etabliert. Das belegt der Branchenindikator 2024 der Leading Swiss Agencies und des Schweizer Werbe-Auftraggeberverbands. Die beiden Verbände haben werbende Unternehmen zu ihren Einschätzungen und Aussichten fürs Jahr 2024 befragt. Demnach buchen Werbetreibende ihre digitalen Kampagnen zu 47 Prozent programmatisch.

Warum ist dieser Wert angesichts der Effizienz programmatischer Werbung nicht noch höher? «Das liegt vor allem an den sogenannten Walled-Garden-Unternehmen wie Meta und Google», sagt Sam Lutz. «Sie nehmen ihre Werbeinventare wegen ihrer Marktmacht immer häufiger aus dem offenen Programmatic-Markt. Die Werbetreibenden können die Werbeplätze dann nicht mehr über ihre DSPs buchen, sondern müssen eine direkte Geschäftsbeziehung mit dem jeweiligen Netzwerk eingehen.»

Was Programmatic kennzeichnet

Programmatische Werbung weist folgende Eigenschaften auf:

  • Datenbasiert: Programmatic Advertising funktioniert nur dank Daten – demografischen Daten, Daten zum Surfverhalten oder Informationen zum Kontext. Bei den Werbetreibenden kommt hier die Data-Management-Plattform (DMP) ins Spiel: Sie speist die vorhandenen Daten auf Seiten der DSP in den Prozess ein.
  • Automatisiert: Algorithmen nehmen den Werbetreibenden – natürlich im Rahmen klar definierter Vorgaben – die einzelnen Entscheidungen ab, wann und wo Werbeplätze gekauft werden. Der gesamte Prozess bis zum Ausspielen der Werbung läuft automatisiert ab.
  • In Echtzeit: Die Entscheidungsprozesse, welche Werbeanzeigen ausgespielt werden, erfolgen in Echtzeit.
  • Personalisiert: Durch das userzentrierte und datenbasierte Targeting ermöglicht Programmatic Advertising, den Zielpersonen stark personalisierte Werbung zu zeigen.
  • Zielorientiert: Programmatische Werbung wird immer auf das primäre Kampagnenziel optimiert – zum Beispiel auf Awareness oder eine konkrete Handlung.

Von klassischen Werbebuchungen unterscheidet sich Programmatic Advertising wie folgt:

  Klassisch
Programmatisch
Kaufabwicklung
Durch Verhandlung und Buchung
Automatisch, mithilfe von Algorithmen
Werbeplatz
Fix gebucht
Dynamisch auf das Verhalten der Zielgruppe abgestimmt
Preis
Fix vereinbart, evtl. mit ausgehandeltem Rabatt, Gefahr eines zu hohen Preises
Meist dynamisch durch Angebot und Nachfrage bestimmt (Auktionen), zusätzlich Private Deals möglich
Format
Vordefiniert
Dynamisch, von Angebot abhängig
Reporting
Meist erst nach Kampagne
Laufend in Echtzeit
Optimierung
Nur begrenzt und verzögert möglich
In Echtzeit möglich
Vorzeitige Beendigung
Nur begrenzt möglich, erfordert Verhandlungen mit einzelnen Publishern/ Vermarktern
Kurzfristig für alle Werbeplätze möglich

Nicht immer eine öffentliche Auktion

Programmatische Buchungen sind in zwei Arten von Handelsplätzen möglich – im Open Market und im Private Market. «Im Open Market bietet ein Publisher sein Werbeinventar grundsätzlich allen potenziellen Programmatic Buyern zu den gleichen Konditionen mit einem Mindestverkaufspreis an. Er kann aber gewisse Werbetreibende oder Kategorien von Werbungen wie zum Beispiel jene für Alkohol ausschliessen», erklärt Sam Lutz. «Der Private Market funktioniert auf Basis sogenannter Private Deals. Dabei kann der Publisher für einzelne Buyer spezielle Konditionen festlegen und sein Inventar mit eigenen Daten anreichern, um es attraktiver zu machen.»

Private Deals bedeuten für Werbetreibende also Vorzugskonditionen und einen priorisierten Zugang zu attraktiven Werbeplätzen. Diese werden oft zuerst bei privaten Auktionen angeboten. Erst wenn sie dabei keine Käuferinnen oder Käufer finden, lassen sie sich anschliessend in öffentlichen Auktionen ersteigern.

Schritt für Schritt und auf einen Blick: So geht Programmatic Advertising

Unsere Infografik zeigt Ihnen anschaulich, wie Angebot und Nachfrage, Inhalte und Zielgruppen automatisch aufeinander abgestimmt werden.

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Die Schweiz – ein Private-Market-Land

In der Schweiz werden im internationalen Vergleich viele Private Deals ausgehandelt. «Wir sind ein Private-Market-Land», sagt Sam Lutz von Drop8. «Das liegt an unserer Grösse und der geringen Anzahl Publisher. Während die Buyer in anderen Ländern mit vielen Publishern verhandeln müssen, geht das hier deutlich schneller und einfacher.»

Grundsätzlich können Werbetreibende ihre Private Deals selbst abschliessen. Wegen der Komplexität und den Vorteilen bestehender Beziehungen geschieht dies laut Zbynek Zapletal von Biggie Switzerland aber oft über eine darauf spezialisierte Agentur: «Das ist besonders für Unternehmen mit kleinem Werbevolumen vorteilhaft. Sie profitieren von den besseren Preisen, die die Agenturen durch die Bündelung grosser Volumen erzielen.»

Vorteile programmatischer Werbung

Gegenüber der klassischen Mediaplanung und -buchung weist programmatische Werbung vor allem drei Vorteile auf:

Vorteil 1: Mehr Wirkung
Vorteil 2: Mehr Effizienz
Vorteil 3: Bessere Optimierung

Programmatic als Teil crossmedialer Kampagnen

Programmatic Advertising ist längst nicht mehr auf Display-Anzeigen, Social Media Ads und Werbeclips auf Videoplattformen beschränkt. Auch Audiokanäle, Connected TV, Digital out of Home und In-Game Advertising bieten Möglichkeiten, Werbung auf diese Weise auszuspielen. Deshalb ist programmatische Werbung inzwischen oft Teil crossmedialer Kampagnen.

Sam Lutz nennt zwei Beispiele: «Im Connected TV lassen sich gezielt Personen mit Werbung ansprechen, die diese im linearen TV noch nicht gesehen haben. Oder Unternehmen setzen auf Geotargeting und verstärken die Wirkung ihrer physischen Mailings: Vor und allenfalls auch nach dem Versand schalten sie in den Zielgebieten programmatische Onlinewerbung. Das erhöht bei den Mailings die Öffnungsraten und die Conversions. Die programmatische Werbung ist bei solchen crossmedialen Kampagnen meist nicht das Herzstück, sondern die Erweiterung, um Effektivität und Effizienz zu steigern.»

Programmatic Digital out of Home

Risiken von Programmatic Advertising

Bei allen Chancen und Vorteilen ist programmatische Werbung auch mit Risiken verbunden. Zu den grössten zählt die mangelhafte Qualität von Werbeplätzen: Im schlechtesten Fall wird Werbung in einem problematischen Umfeld oder neben unpassenden Inhalten ausgespielt, was der Marke ernsthaft schaden kann. «Massnahmen zum Schutz der Marke sind daher sehr wichtig», sagt Zbynek Zapletal von Biggie Switzerland. «Das bedeutet einerseits strenge Überprüfungsprozesse und andererseits, nur auf Premium-Inventare zu setzen.»

Konkret können Werbetreibende beim Blacklisting unerwünschte Webseiten für eine programmatische Buchung ausschliessen. Bei kontextuellem Targeting wiederum werden Werbeanzeigen nur in einem thematisch passenden Umfeld ausgespielt. Algorithmen analysieren dazu in Echtzeit Webinhalte und erkennen mithilfe von Large-Language-Modellen problematische Werbeplätze. Zusätzlich empfiehlt Zbynek Zapletal in erster Linie Brand-Safety-Lösungen, die die Sicherheit der Marke bereits vor der programmatischen Auktion bewerten – sogenannte Pre-Bid-Lösungen. Zu den bekanntesten Anbietern zählen IAS, DoubleVerify und Adloox. Es gibt aber auch Lösungen, die «post Bid» funktionieren und als eine Art Alarm bei Regelverstössen dienen.

Zu den weiteren Herausforderungen von Programmatic Advertising zählen unter anderem:

  • Werbebetrug (Ad Fraud): Als Vorsichtsmassnahme empfehlen sich Anti-Fraud-Technologien und Verifizierungstools.
  • Datenschutzverstösse: Diese geschehen oft unbewusst. Daher sollten sich Werbetreibende umfassend über die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben informieren und ihre Datenpraktiken transparent offenlegen.
  • Mangelnde Kostentransparenz: Hier rät Programmatic-Experte Zbynek Zapletal vor allem zu einem Vergleich der Technologie-, Service- und Inventarkosten verschiedener Anbieter. Dabei hilft etwa der Gebührentransparenzrechner der IAB – des Verbands der digitalen Marketing- und Werbebranche.
  • Schlechte Klimabilanz: Die Prozesse für programmatische Werbung erfordern eine energieintensive IT-Infrastruktur und können grosse Treibhausgas-Emissionen verursachen. «Anbieter wie SeenThis und Scope3 ermitteln diese Emissionen anhand von Nachhaltigkeitsmetriken für verschiedene Werbeinventare», erklärt Zbynek Zapletal. «So lassen sich die klimaschädlichsten Werbeplatzierungen ausschliessen.»
Code of Conduct zur programmatischen Werbung

Entwicklung bei Programmatic geht weiter

Technische Entwicklungen sorgen dafür, dass Wirkung und Effizienz der programmatischen Werbung weiter gesteigert und zugleich Schwächen beseitigt werden. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Künstliche Intelligenz: «Sie ist schon lange in die Optimierungs- und Bidding-Algorithmen der DSPs integriert, sodass diese immer besser werden», sagt Sam Lutz von Drop8. Unter anderem helfen KI-Tools dabei, die erfolgversprechendsten Anzeigenplatzierungen zu bestimmen. «Zudem wird die Anwendung der Plattformen für die User durch KI einfacher und effizienter.» Nicht zuletzt dient Künstliche Intelligenz dem Kampf gegen Werbebetrug, indem sie Kampagnendaten überwacht und Auffälligkeiten erkennt, die etwa auf geschönte Klickzahlen oder von Bots generierten Datenverkehr hinweisen.

Weiter arbeitet die Branche laut Sam Lutz mit Hochdruck an neuen, datenschutzkonformen Lösungen, um die präzise Zielgruppenansprache und die Messung von Onlinekampagnen auch nach dem Wegfall der Third Party Cookies sicherzustellen: «Zu diesen spannenden Projekten zählt in der Schweiz vor allem OneID – eine gemeinsame Lösung der wichtigsten Publisher und Vermarkter, damit die Werbetreibenden First-Party-Daten effizient und präzise für programmatische Werbung einsetzen können.»

Programmatic Advertising: am besten mit Experten

Mehr Wirkung, mehr Effizienz, bessere Optimierung. Die Vorteile von Programmatic Advertising gegenüber klassischer Onlinewerbung sind unschlagbar. Doch diese komplexe Art des Werbens will gekonnt sein. Am besten arbeiten Sie dafür mit unseren Experten zusammen.

Lassen Sie sich beraten

Sam Lutz

ist CEO der Digitalagentur Drop8.

Porträtbild von Sam Lutz

Zbynek Zapletal

ist Director Programmatic & Tech Development DACH & CZ der Marketingagentur Biggie Switzerland.

Porträtbild von Zbynek Zapletal